You’ve got to do the miles

Es ist 6:47 und ich bin wieder einmal im Schwimmbad. Die Kaderathleten bzw. –fische sind auch schon da und mit dem allmorgendlichen Dehn- und Gymnastikprogramm beschäftigt (jedes Mal, wenn die sehe, muss ich daran denken, dass die australischen Schwimmer um die Uhrzeit bereits ihre erste Schwimmeinheit beenden und nicht erst anfangen. Aber das Thema „Verfassung des Schwimmens in D“ ist ein anderes).

Also, 6:47…Das klingt erst einmal so, als wollte ich nicht da sein. Mit dem Schwimmen verbinde ich einerseits viel Freude und Abtauchen können, andererseits aber auch viel Frustration, weil ich nie so gut sein werde, wie ich gerne sein möchte. Noch nicht einmal, wenn ich nur noch schwömme. Aber derzeit schwimmt es sich für meine Verhältnisse gut. Ich habe eine anstrengende Schwimmwoche hinter mir, um nach vielen Monaten des sporadischen und damit wenig Spaß machenden Schwimmens endlich wieder ein gutes Gefühl im Wasser zu bekommen. Gutes Gefühl ist natürlich relativ und nach wie vor gibt es die Momente, in denen ich am liebsten direkt das Wasser verließe, weil scheinbar wenig bis nichts zusammen zu passen scheint. Weil der rechte oder auch wahlweise linke Arm nicht so will, wie ich es gerne hätte. Aber es hilft ja alles nichts, der Lago Maggiore steht im Juni in welcher Form auch immer wieder auf dem Plan und deshalb kann ich nicht einfach ausblenden, dass ich mich mit dem Dasein und der Fortbewegung im Wasser auseinander setzen muss.

Exkurs: Der Satz „you’ve got to do the miles“ trifft beim Schwimmen nur bedingt zu. Schwimmen ist eine sehr technische Sportart und je früher im Leben man es lernt, umso besser ist es. Leider gehöre ich zu den Menschen, die sich mit Anfang 20, nach Jahren des auf keinen Fall schwimmen wollens, mit schlechter Technik im Brustschwimmen dann irgendwann zum Kraulen motivierten. Denn Brust ist noch viel technischer als Kraul. Was die Komplexität des Kraulens nicht mindert. Und wenn ich dann an das wirklich schön anzusehende Schwimmen von Alexander P. oder Ian T. denke…tja,was soll ich sagen. Ich arbeite an der Verbesserung. Aber es ist kein linear aufstrebender Weg, sondern mit sehr vielen Tiefpunkten versehen. Und wenn ich länger nicht konsequent schwimme, geht es gefühlt wieder am Anfang los. Es hilft dann schon, auch die entsprechenden Meter zu machen. Auch, wenn sich die nicht so schnell absolvieren lassen, wie die der Kaderfische auf der Nebenbahn (bei denen, wenn sie wieder an mir vorbeiflitzen, immer zwei Gedanken durch den Kopf schießen: Mal sehen, ob ihr noch schwimmt oder euch bewegt, wenn ihr in dem Alter einer dicken, alten Frau seid. Und: wollen wir im Anschluss an die Schwimmeinheit mal kurz Rad fahren gehen?), weiß ich, dass ich einfach dran bleiben muss und nicht verzagen darf, wenn die Uhr mal wieder etwas länger braucht. Und niemals aufgeben darf. Was bisher auch ganz gut klappte, denn sonst hätte ich vor 15 Jahren gar nicht erst mit dem Sport anfangen brauchen.

Wasser und ich haben ja ohnehin eine etwas angestrengte Vergangenheit. Denn erwähnte ich, dass ich eine furchtbare Panik habe, den Kopf unter Wasser zu haben (liegt übrigens in der Famile und ist kein Kindheitstrauma, wie ich mal vermutete. Meiner Mutter und meiner Schwester geht es ebenso)? Rollwenden, tauchen, Sprünge ins Wasser? Auf gar keinen Fall! Nur, wenn es wirklich gar nicht anders geht. Mit Schnorchel schwimmen löst ähnliches Unwohlsein bei mir aus. Statt Rollwenden pflege ich die Kippwende oder an guten Tagen auch gerne meinen „turtle turn“. Wenn die Zuglänge passt. Wer sich jetzt fragt: ja warum geht sie schwimmen, wenn sie so eine Angst davor hat, den Kopf unter Wasser zu bekommen? Kann ich nur antworten: damit ich im Notfall den Kopf ganz schnell oberhalb der Wasserlinie haben werde. Und grundsätzlich bin ich beim Schwimmen ja ohnehin in der Nähe derselben und habe den Kopf IM aber nicht unter Wasser. Kleiner, aber feiner Unterschied. Und so lange ich nicht gefordert werde, Tauchurlaub zu machen, blende ich diese Angst (irgendeine Macke muss ich doch schließlich haben dürfen) einfach aus.

Und wenn ich dann so meine „Bahnen ziehe“ (hübsches Buch übrigens von Leanna Shapton) denke ich zwar auch viel über meine Technik nach, aber das blöde ist ja einfach, dass es wie mit der Katze im Experiment ist. Lasse ich die rechte Schulter mittlerweile einen Moment länger oben, oder nur deshalb, weil ich sie in dem Moment beobachte? Und der Ellenbogen? Und was macht überhaupt die Hüfte so, wenn ich nicht drauf achte?

Apropos Moment. Und dann dachte ich an den Podcast, den ich den Tag vorher hörte (war also mal wieder von der Technik abgelenkt, rechte Schulter musste für den Moment alleine klar kommen). Dass wir alle mehr im Moment sein sollten. Und während ich so vor mich hin schwamm und mir den Moment bewusst machte, überlegte ich, ob bewusst in dem Moment sein bedeutet, wenn ich mich aktiv daran erinnere, dass ich im Moment bin oder aber ob sich das im-Moment-sein über das bewusste Tun definiert. Oder muss gar beides zusammenspielen? Ich nehme meinen linken Ellenbogen und seine Bewegung bewusst wahr und das ist der Und wie lange darf so ein Moment dann dauern? Und wenn ich dauernd im Moment bin, ist es dann noch ein Moment?

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