Embrunman – die Langfassung

Wie immer klingelte der Wecker unglaublich früh: 3 Uhr war es vorbei mit der Ruhe und wir krochen nicht wirklich ausgeschlafen aus den Schlafsäcken.
Das weitere morgendliche Programm war dann klar: Kontaktlinsen in die Augen würgen, Sonnencreme auf Beine, Arme und Nacken, Flaschen auffüllen, Frühstücken und dann los (ok, Wettkampfklamotten hatte ich natürlich auch angezogen).
Am Eingang der Wechselzone wurde es dann für mich noch spannend: der Veranstalter hatte angekündigt, dass wir nur mit Perso in die Wechselzone kommen würden. Dummerweise hatte ich meinen in Deutschland vergessen. Führerschein und Krankenkassenkarte reichte ihnen dann aber auch und ich durfte in die Wechselzone, wo ich dann in Ruhe meine Klamotten und das Rad vorbereiten konnte: Akkus an die Schaltung, Reifen aufgepumpt, Flaschen ans Rad, Trikot vorbereitet und dann zum ersten mal aufs Dixi. Noch war nicht viel los, also kein Problem. Nun war meine Verdauung aber auf den Geschmack gekommen und so durfte ich mich noch zweimal anstellen, bevor dann wirklich Ruhe war.
Als ich wieder an meinem Platz war, traf ich noch einen weiteren deutschen Starter, den ich aus einem Internetforum kannte. Während wir uns unterhielten fand uns ein Kameramensch anscheinend so interessant, dass er mich gleich noch interviewte. So verging die Zeit wenigstens schneller – ich war ja wie immer einer der Ersten in der Wechselzone gewesen und hatte somit reichlich Zeit.

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Dann war es irgenwann so weit: Neo Anziehen. Das ging sogar recht gut, ich hatte auch aus meinem ersten Start gelernt und eine Flasche mit Wasser dabei, um den Neo nach dem Anziehen nass zumachen, um ihn zurech zu ziehen. Man darf hier beim Embrunman ja nicht vorher ins Wasser (oder nur sehr umständlich), so dass ich diesen Trick im letzten Jahr bei einigen Startern gesehen hatte. Funktionierte perfekt. 10 Minuten vor uns starteten die Damen, dann waren wir um 6 Uhr endlich dran: im Dämmerlicht stürmte die Meute ins Wasser, immer dem Blinklicht auf dem Führungsboot hinterher. Klingt nun schlimmer als es ist, da die Sonne genau zu dieser Zeit aufgeht, ist die Dämmerung schon recht weit fortgeschritten und es ist nicht so wie bspw. beim Altriman, dass man in kompletter Dunkelheit losschwimmen muss. Insofern halten sich die Feindkontakte in Grenzen. Schlimmer sind dann schon die Algen, die in dem See wachsen. Insbesondere in einer flacheren Ecke des Sees erreichen diese die Wasseroberfläche und man darf da natürlich genau durch schwimmen – wie ich das liebe, aber besser nicht drüber nachdenken. So schwammen wir also unsere zwei Ründchen durch den See, alles recht unproblematisch. Ich hatte ja vorher etwas Bammel wegen des Schwimmens gehabt, doch die 3,8km vergingen wie im Fluge und nach 1:06 war dieser Part erledigt. Ok, keine berauschende Zeit, aber wenn man bedenkt, dass ich in diesem Jahr nur 9 mal im Schwimmbad war, passt das schon.
Raus kam ich aus dem Neo bestens, schnell das Trikot an, Socken und Schuhe, Helm und Handschuhe und los. Ok, hat etwas gedauert, aber die zeit muss beim Embrunman sein. Beim Aufziehen der Radbrille merkte ich, dass ich das Nasenstück verloren hatte und so die Scheibe direkt auf meiner Nase lag. Na super, konnte ja kaum noch schlimmer werden. Am Aufstiegsbalken dann das übliche Triathleten Bild: vor mir bestimmt 10 Jungs, die die Schuhe am Rad hatten, es aber nicht auf die Reihe brachten, diese in der Fahrt anzuziehen und die Strecke versperrten. Ich konnte rechts an ihnen vorbei laufen, aufs Rad springen und hatte schon 10 überholt 😉
Einrollen, wie man es von anderen IRONMAN Rennen kennt, gibt es beim Embrun nicht: nach ca. 100m geht es links ab und dann erst einmal für 6 Kilometer bergauf. So wird einem wenigstens gleich warm. Hier wollte ich mich natürlich so schnell wie möglich nach vorne arbeiten, achtete aber darauf, es nicht komplett zu übertreiben – der Leistungsmesser war dabei recht hilfreich. Nach ca. 1km rief Julia mir meine Platzierung zu: irgendwas mit 250. Naja, klang nun erst einmal nicht so schlecht und ich überholte ja am laufenden Band. Also alles gut. Ein oder zwei Jungs meinten gegenhalten zu müssen, als ich an ihnen vorbei zog, das überlegten sie sich aber schnell anders und waren danach nicht mehr gesehen. Die Abfahrt zurück zum See war dann wie vor drei Jahren phänomenal: man fuhr direkt auf den See zu in die aufgehende Sonne – unbeschreiblich schön. Ich war die Runde im Training mehrmals abgefahren, so konnte ich die Abfahrten recht schnell nehmen und sogar dabei weitere Fahrer überholen. Bis dahin verlief also alles wie am Schnürchen. Etwas abenteuerlich war gelegentlich der Verkehr, aber auch hier zeigte sich wieder, wie rücksichtsvoll die Franzosen sind – kein Vergleich zu deutschen Autofahrern.

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In Embrun hatten sich Massen von Zuschauern versammelt und die Straße bis hinauf nach Baratier in einen zweiten Solarer Berg verwandelt. Erneut fragte ich mich, wo die denn alle herkommen – so viele Einheimische gibt es da doch garnicht. Auf jeden Fall ein toller Moment, durch diese Massen zu fahren. Oben wurde es dann wieder ruhiger und an dem nächsten Anstieg stand dann schon Julia, die mir wieder meine Position durchgab: irgendwas mit Platz 60…… Hm, naja, nicht ganz das, was ich mir erwartet hatte. Platz 40 wäre cool gewesen oder irgendwas um 35 wie im letzten Jahr, aber 60 – da galt es noch einige aufzuholen. Das klappte aber irgendwie nicht, ich überholte zwar reihenweise Fahrer, das waren aber alles keine Starter, sondern Touris oder Fans. So ging es bis zum Hauptanstieg rauf auf den Izoard. Immer mal wieder konnte ich vereinzelt einen Faher überholen, aber höchstens 10 bis dahin. Das Stück zwischen Guillestre und dem Izoard ist ansonsten nicht weiter dramatisch, es geht im Grunde genommen kontinuierlich leicht aufwärts, teilweise so flach, dass man sogar mal den Auflieger nutzen kann. Ab der Abzweigung, an der mir ein Zuschauer meine Position auf Französich zurief, ging es dann aber wieder richtig rauf: 14km mit teilweise 10% – klingt nun auch schlimmer als es ist, aber im Gunde genommen ist es nur ein langer Berg. Ich halte nicht viel von dieser Dramatisierung, die immer mal wieder um diesen Berg gemacht wird. Eigentlich lässt er sich sogar recht gut fahren, da der Anstieg relativ gleichmäßig ist – halt gleichmäßig bergauf 😉 So kurbelte ich einen um anderen Kilometer den Berg rauf und sammelte einen um den anderen Faher ein. Auch hier standen wieder überall Einheimische, die uns unglaublich motiviert anfeuerten.

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Irgendwann kam ich dann auch oben am Izoard an, bis dahin war es eigentlich gang gut gelaufen, wobei ich das Gefühl hatte, dass es mir schwerer gefallen war, die anderen Fahrer zu überholen. Einige wehrten sich doch arg und andere konnte ich garnicht abschütteln – entweder waren die besser drauf oder ich schlechter. Nunja, aber nun sollte ja die Abfahrt kommen. Immerhin hatte ich Spaß mit meiner neuen Schaltung: die SRAM ETAP ist einfach der Hammer. Ich hatte mir noch kurz vor der Abreise die Blips am Oberlenker montiert und konnte garnicht genug schalten, so cool ist das 😉 Oben jammerte noch ein Profi seiner Freundin zu, dass die Jungs hier alle so schnell sind 😉 Ich glaub der ist dann auch ausgestiegen.
Die Abfahrt war dann ein Heidenspaß: mit Highspeed ging es hinab nach Briancon teilweise haarsträubend an den Autos vorbei, aber hier war ja Rennen und jede Sekunde zählte. Leider überholte mich sogar noch ein anderer Fahrer, der noch irrer war. Den sah ich auch erst nach 40km wieder. Nach Briancon wollten meine Beine dann irgendwie nicht mehr. Nicht dass ich zu fertig war, aber irgendwie war die Luft raus und die Motivation auch futsch. Ich kam nicht mehr so recht in den Wettkampfmodus und sagte mir schon: ok, machtst Du wenigstens eine schöne Radtour und läufst noch mit Anstand den Marathon. So bummelte ich auch etwas vor mich hin, ließ mich sogar auch mal überholen, bevor ich dann wieder kurzfristig aufwachte, bevor ich wieder zu bummeln begann.
Ca. 30km vor dem Wechsel wollte ich dann doch mal eine Cola trinken und fuhr an die nächste Verpfelgungsstelle und rief laut nach Cola. Das Ergebnis war dann:
1. Flasche: Wasser – ok, weg und nächste Flasche:
2. Flasche: Wasser – geht es noch – wieder weg.
3. Flasche: wieder Wasser – wollen die mich verar…..?????
So durfte ich dann mit Wasser weiter fahren, war aber auch kein Problem. Im letzten Anstieg fuhr ich auch einen polnischen Profi auf, der auch einige Probleme hatte. Er kannte die Strecke nicht, so dass ich ihm kurz beschrieb, was noch auf ihn zukommt und dass er in der letzten Abfahrt aufpassen sollte. Bis zum letzten Gipfel (da gab es dann auch mal Iso) fuhren wir dann gemeinsam, die Abfahrt bin ich dann doch schneller gefahren 😉
Zurück in der Weschelzone erfuhr ich dann auch meinen Platz – war wohl irgendwas in den hohen 20ern. Naja, nicht ganz schlecht, aber auch nicht das, was ich wollte. Immerhin war ich auf em Rad auch 10 Minuten langsamer gewesen als vor drei Jahren. Aber der Lauf sollte ja noch kommen und dank meiner Bummelei auf dem Rad war ich auch nicht vollkommen platt. So lief ich entsprechend motiviert los – entweder sollte es eine richtig gute Zeit werden, oder in einem Wandertag enden. Es wurde dann eine Mischung aus beidem.

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Zunächst konnte ich relativ locker und auch recht fix loslaufen. Ich war die Strecke zuvor im Training einmal komplett abgelaufen, wusste also,w as mich erwarten würde. Im Vergleich zu meinem letzten Start hatte der Veranstalter ja die Laufstrecke signifikant geändert. Im Gegensatz zu damals musste man nun drei Runden laufen, der Abschnitt über Baratier war gestrichen worden, dafür durfte man nun dreimal hinauf nach Embrun laufen – nicht wirklich eine Erleichterung. Dennoch konnte ich fix anlaufen und auch die erste Runde verging wie im Flug. Ich konnte sogar noch den einen oder anderen Starter überholen, wurde aber auch von zweien überholt (die ich aber später beide wieder einholte). Auch die zweite Runde lief so la la, etwas anstrengender als die erste, aber immer noch gut. Ich nutzte alle Verpflegungsstellen, um mich mit Cola zu versorgen, zusätzlich hatte ich meinen Trinkgurt mit Squeezy Drink und Gel dabei. Das sollte reichen. So schlappte ich dann auch die zweite Runde durch und alles war gut. Zu Beginn der dritten Runde fing die Innenseite meines rechten Oberschenkels an sich zu melden. Ich hatte an dieser Stelle schon einmal beim Altriman einen Krampf bekommen, der mich damals beinahe den Sieg gekostet hätte. So reduzierte ich auch gleich mein Tempo und stellte etwas den Laufstil um, um den Muskel weniger zu belasten. So dachte ich, könnte ich den Kramps hinauszögern. Der wollte aber nicht warten und meldete sich immer wieder mal und auch deutlicher. Eine ganz dumme Idee war, den Muskel zu kühlen. Als ich das oben in Embrun versuchte, war gleich Ende Gelände und ich durfte einige Meter gehen. Glücklicherweise konnte ich den Muskel mit einigen Streicheleinheiten besänftigen und konnte durch Embrun und wieder zurück ins Tal relativ problemlos laufen. Solange es flach blieb gab es auch keine Probleme, dummerweise kam bei Kilometer 37 nochmal eine kleine Böschung, die man hinauf laufen musste – höchstens 2hm und im normalen Leben nicht der Rede wert. Hier war aber nicht das normale Leben und mein Muskel hatte nun vollends die Faxen dicke und krampfte so brutal, dass ich dachte, es zerreißt mir meinen Oberschenkel (mir soll nochmal jemand sagen, er sei mit Krämpfen gelaufen, das geht definitiv mit solch einem Krampf nicht). So musste ich erst mal stehen bleiben und versuchte den Krampf auszumassieren – das dauerte natülich und so liefen einige Konkurrenten wieder an mir vorbei. Egal, ich wollte nur noch ins Ziel und nach einer gefühlten Ewigkeit tippelte ich so langsam weiter, immer mal wieder durch Gehpausen unterbrochen.

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Zeit war nun eh egal und Platzierung wollte ich mir garnicht erst überlegen. Kurz vor dem Ziel führte die Laufstrecke unter einer Straße hindurch, das bedeutete auf der einen Seite runter, auf der anderen Seite: rauf!!! Da freute sich doch mein Oberschenkel. So schleppte ich mich am Geländer abgestützt die 3hm rauf und konnte dann doch tatsächlich ins Ziel abbiegen. Nur mit Mühe konnte ich noch den Zuschauern, die wirklich während des ganzen Rennens der Hammer waren, zuwinken und dann nach 11:10 endlich ins Ziel laufen. Nicht ganz die Zeit, die ich mir erhofft hatte, aber solche Tage gibt es halt auch.

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Die Zielverpflegung war dann auch wieder französisch: Baguette mit Schinken, Baguette mit Brie, etwas Trockenobst und…. Fritten – fertig. Ich futterte ein Baguette und natürlich Fritten, trank zwei Flaschen Iso und dann konnte ich schon meine Sachen aus der Wechselzone holen. Perfektes Timing.
Mit Julia brachten wir dann die Klamotten ins Auto, wo ich mich dann auch mit dem Hochdruckreiniger “duschen” und umziehen konnte.

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Nach zwei Fresubin Portionen und noch etwas leckeren Essen fuhren wir dann mit den Rädern zurück in die Stadt wo es dann noch eine Pizza und Eis gab und wir die weiteren Starter noch anfeuern konnten.

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Per Whatsapp erfuhr ich dann auch, dass ich Platz 21 bei den Männern gemacht hatte, aber und jetzt kommt es, bei den Veteranen sprang Platz 3 raus – das bedeutet Podium beim Embrunman!!!! Wie genial ist das denn??? Also doch alles gut 😉
Irgendwann wurden wir dann doch müde und fuhren zurück zum Auto und dann zum Camping Platz verschwanden bann schon bald im Bett. Dieses Jahr konnte ich dann auch schlafen, hatte ja nicht noch eineinhalb Liter Red Bull getrunken wie bei meinem letzten Start.
Die Siegerehrung am kommenden Tag fand dann wieder wie immer auf dem Messegelände statt – in wieder einmal praller Sonne. Erst waren die Damen dran, dann die Gesamtsieger, dann die Teams und irgendwann auch die Veteranen, also ich – schon cool, bei einem Event wie dem Embrunman auf dem Podest zu stehen – hätte ich mir zu Beginn meiner Langdistanzkarriere niemals gedacht….

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Und nun: ich muss zugeben, dass ich nun etwas zwiegespalten bin: Ich hatte mir ja eigentlich fest vorgenommen, den Altriman im kommenden Jahr zu machen, aber so kann ich beim Embrunman auch nicht abtreten. Mal sehen, eventuell versuche ich ja auch mal einen Doppelstart.

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Das ist ja das schöne hier: die Rennen sind nicht so überlaufen wie die IRONMAN Veranstaltungen, dafür um Längen schöner: ehrlicher Sport. Drafting ist nicht. Landschaft ist der Oberhammer und die Zuschauer sind einzigartig. Man merkt, dass die Zuschauer hier wirklich einschätzen können, was wir hier treiben. Ganz anders als die Einheimischen bspw. in Frankfurt beim IRONMAN. Ich verstehe daher auch nicht, warum sich in diesem Jahr grad mal 8 deutsche Starter hierher verirrt haben – natürlich sind die Rennen anstrengend und bei weitem fordernder als ich denke jeder IRONMAN und Bestzeiten zum Prahlen wird man hier auch nicht erreichen, aber darum sollte es doch nicht gehen. Wir kommen auf jeden Fall wieder…

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