Swissman 2014 – die Kakerlake gibt nicht auf!

Vorgeplänkel

Am vergangenen Mittwoch sattelten wir mal wieder den gemieteten California und machten uns auf nach Faido. Die Fahrt war unspektakulär, wir bezogen in Faido “unseren” Campingplatz und erfreuten uns an dem guten Wetter. Insgesamt war die Wetterprognose für das Rennen gut und die Pässe waren alle schon offen. Am Donnerstag wollte Alex die Passrunde mit Gotthard, Furka und Nufenen fahren, ich machte den Support aus dem Bus. Bei wunderbarem Wetter ging es über die Berge und wir hatten einen sehr schönen Tag.

Am späten Nachmittag ging es dann weiter nach Locarno zum nächsten Campingplatz. Wir hätten auch einen anderen PLatz nehmen können, aber konnte ich am Freitag Morgen schon/noch mal das Wasser im Lago testen konnte. Nach einem kurzen Einschwimmen gab es dann das übliche Warmup mit 30min auf dem Rad und 15min Laufen. Das System funktionierte, alles fühlte sich gut an.
Nachmittags ging es dann zum Check In und zur Wettkampfbesprechung. Beim Check In kam der erste Gänsehautmoment: ich sollte die Startnummer 1 bekommen! Puh! Nach der Wettkampfbesprechung fuhren wir zum dritten Campingplatz in der dritten Nacht – allerdings mussten wir kurzfristig uns einen “neuen” Platz suchen, weil der geplante dritte uns nicht nachts um 2:30 vom Platz lassen wollte. Aber nach 30 min suchen fanden wir einen, von dem wir auch zu so früher Stunde runterkämen.
Anschließend das übliche Prozedere: die letzten Sachen packen, Rad checken, Henkersmahlzeit, Film kucken und früh ins Bett. Ich wartete ja schon auf den Wachhaltefaktor; nach elektrischer Luftmatratze in 2012 und einzuschlagenden Heringen um Mitternacht in 2013 gab es dieses Jahr die Fußball-WM mit dem Spiel der Schweiz. Noch Fragen? Es war ja klar, dass es damit wieder mal keine ruhige Nacht geben würde. Wie gut, dass um 2 Uhr der Wecker ging (ich war ja gerade endlich mal eingeschlafen). Wir frühstückten kurz und machten uns auf nach Ascona zur Wechselzone.

Jetzt wird’s ernst!
Wir waren früh da – natürlich viel zu früh. Schnell hatte ich meine Sachen am Platz organisiert. Dann wanderten wir zum Bootsanleger, ich trödelte ein bisschen rum, aß noch was, dann den Neo angezogen und ab auf die Fähre. Dort traf ich Dominik, einen Bekannten aus dem Triathlon Forum. Wir quatschten, bis das Boot bei den Brissago Inseln anlegte, wünschten uns Glück und ein gutes Rennen und dann ging es ins Wasser. Die Kuhglocke als Startsignal war gut zu hören und ab ging die Post Richtung Ufer.
Nach 300m war das Feld schon so auseinander gezogen, dass ich bis fast zum Ufer niemanden mehr um mich rum hatte. So schwamm ich durch den Lago – immer wieder bemerkte ich den Gegenwind, es gab Abschnitte, in denen ich von den Wellen gut durchgeschüttelt wurde aber ich schaffte es, halbwegs den Kurs zu halten. In der Zwischenzeit ging die Sonne auf und schien in einem wunderbaren Licht die Berge zu meiner Linken (da ich nach links atme, weiß ich nur, wie es zu meiner linken aussah, für Ausflüge zur rechten Seite hatte ich keine Zeit). Das einzige, was mich wirklich nervte, war das Knicklicht, dass wir unter der Badekappe tragen mussten. Das Ding drückte hübsch auf den Hinterkopf. Da war auch schon das Ufer!
Raus aus dem Wasser, da ist auch schon Alex, der vor mir her rennt und mich zum Rad lotst. Ich schaue gespannt auf die Uhr, um die Schwimmzeit zu sehen. WOW! 1:04! Aber ich habe nicht wirklich Zeit, mich ausgiebig über die Zeit zu freuen, denn Alex reißt mir schon den Neo runter, ich ziehe Trikot, Weste und Schuhe an, Rad geschnappt und auf geht’s! Die Radstrecke ist voller als im vergangenen Jahr, aber der Verkehr ist dünn und es rollt gut Richtung Bellinzona. Einige nutzen leider auch die Chance der Abwesenheit von Kampfrichtern und veranstalten eine Gruppenausfahrt. Am Abzweig nach Bellinzona steht Alex und wartet ab da für den Rest der Radstrecke alle 5-10km auf mich und bietet mir Gels, Riegel und Iso an. Im Gegensatz zum letzten Jahr scheint die Sonne und schon früh sehe ich den Gotthard. Die Kilometer und die Minuten vergehen schnell. Schon bin ich in Airolo und der Anstieg zum Pass geht los. 12km lang. Der untere Abschnitt vergeht schnell. An der Moto Bartolo steht Alex, bevor ich auf die Tremola abbiege. Dort liegt kein Schnee mehr, aber es rollt wie auch im vergangenen Jahr wie ein Sack Nüsse lustig über die 5km Kopfsteinpflaster. Oben auf der Passhöhe angekommen überlege ich kurz, ob ich mehr als eine Weste für die Abfahrt brauche, entscheide mich aber dagegen. Und runter. Was ein Spaß! Der Kreisel in Hospental ist fertig, womit es keine nervige Wartezeit an der Ampel mehr gibt und ich biege ab nach Realp. Der Furkapass, auch als James-Bond-Straße bekannt, wartete mit 13km Anstieg. Und Gegenwind. Zwischendrin habe ich Zeit und schaue auf die Serpentinen unter mir. Eine lange Kette von Athleten rollt den Berg hoch. Ich passiere Tiefenbach und dann bin ich auch schon auf der Passhöhe. Alex drückt mir zwei Riegel in die Hand und ich fliege die nächste Abfahrt runter. Diese Abfahrten machen bei trockenem Wetter so viel mehr Spaß als bei Regen. Mehr als die Hälfte der Strecke ist in Gletsch bereits geschafft. Und es geht die letzten 5km hoch auf den Grimselpass. Natürlich mit Gegenwind, aber dafür mit Sonnenschein. Oben angekommen geht es, wie so häufig, wieder bergab. Für 30km. Muss ich wieder betonen, wie cool diese Abfahrten sind? Dummerweise kommt Stefano an mir vorbei und nimmt die Abfahrt komplett im Windschatten seines Supporterautos. Was ein Arsch! Sorry, aber ist so. Ich ärgere mich richtig über diesen Idioten. Am letzten Minianstieg an der Aareschlucht drücke ich Alex meine Weste in die Hand und dann geht es für die letzten 15km über eine schöne Nebenstraße aber, natürlich, mit Gegenwind flach nach Brienz zur Wechselzone.
Wie ich später erfahre, hatte Alex die Ausfahrt verpasst und war nur 3min vor mir dort. Aber es klappt wie am Schnürchen mit dem Wechseln. Raus aus der Wechselzone (wo Stefano auch schon war, wäre der mit mir losgelaufen, hätte ich ihm ein paar Worte mitgegeben) und schon geht es in den Anstieg zu den Gießbachfällen. Auf dem Wanderweg im Wald geht es rauf und drunter. Das Knie hält. Und auch der Magen (das erste Mal seit Jahren!). Alex kommt mir bei Laufkilometer 7 oder 8 mit dem Rad entgegen und hat alles für den Rest des Rennens dabei. War es letztes Jahr auch so hügelig auf der Laufstrecke? Ich hatte es verdrängt. Vor allem ab Böningen geht es nur noch rauf. Aber ich weiß, dass Gehen keine Option ist (lang lebe der Kakerlakenmodus!) und so laufe ich weiter. Meine Kappe wird durch jeden Brunnen, der am Straßenrand steht, gezogen. Es ist warm und ich habe Karl knapp 100m als Pacemaker vor mir. Die Kilometer vergehen schnell, die Strecke ist kurzweilig. Schon sind wir kurz vor Grindelwald Grund. Alex rollt vor, schließt das Rad an, wir lassen unsere Rucksäcke checken und dann geht es in den Schlussanstieg. Der Wanderweg geht senkrecht nach oben. Immer noch. Allmählich sind die Beine müde. ich grinse innerlich, wie wenig oder wie verklärt die Erinnerung an die Strecke vom letzten Jahr ist. Ging das wirklich so lange so steil hoch? Es kommt Alpiglen. Ich trinke schnell was und wir wandern weiter. Ab Alpiglen gibt es immer wieder flachere Abschnitte, auf denen wir noch laufen. Das Hotel auf der Kleinen Scheidegg ist schon lange zu sehen. Die letzten 500m laufen wir. Rauf auf den letzten Hügel, ich könnte heulen als ich durch das Spalier von Flaggen und Menschen laufe. Beat nimmt mich in die Arme und ich bin endlich angekommen! Ich muss mich für einen Moment länger sortieren. Es ist schon wieder alles vorbei, nach 13 Stunden und 35 Minuten.

Abschluss
Wir nehmen die nächste Bahn runter, Alex schwingt sich aufs Rad, um den in Iseltwald abgestellten Bus zu holen. Ich gehe zu dem Campingplatz, auf dem wir die Nacht verbringen wollen und warte dort auf ihn. Nach knapp 2 Stunden ist er zurück, wir parken den Bus und fangen das große Aufräumen an. Dann schnell duschen, Essen machen und um Mitternacht kommen wir dann auch endlich ins Bett. Die Nacht schlafe ich schlecht. Jedes Rumdrehen tut weh und lässt mich aufwachen. Und irgendwann auch nicht mehr einschlafen, vermutlich Nachwirkungen des ganzen Koffeins vom Vortag. Ich sehe, wie es draußen heller wird.
Mit gefühlt allen anderen Athleten und Supportern sowie 150 japanischen Touristen fahren wir am Vormittag für die Siegerehrung rauf zur Kleinen Scheidegg. Die Finisherzeremonie und das Abschlussfoto findet bei strahlendem Sonnenschein statt, auch wenn sich der Eiger in ein paar Wolken hüllt.

Ein tolles und ereignisreiches Wochenende ist vorbei und jeder Trainingskilometer war es wert. Der Swissman ist ein Wahnsinnsrennen und ich bin sehr glücklich, dass ich dabei sein durfte.

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