Einige Gedanken – Zyklus 3 – Tag 18

Eigentlich ist heute nicht sonderlich viel passiert, mein Blutbild war heute nahezu unverändert, das ist nun nicht so doll, aber auch nicht sonderlich schlimm. Das Wochenende war dafür umso besser, am Freitag war ich wie schon geschrieben etwas laufen, SA und So dann jeweils eine Stunde mit dem Rad unterwegs – ok, früher hätte ich mir für solche Trainingseinheiten nichtmal Radschuhe angezogen, aber man fängt ganz klein wieder an…

In der letzten Zeit wurde ich mehrfach gefragt, wie ich diese Krankheit und alles was damit zusammenhängt so gut wegstecken kann – wenn man hier so meine Kommentare sieht, kann man denken, das wäre alles ein Kinderspiel… Nun, das hat vermutlich mehrere Gründe. Einmal ist es vermutlich wirklich nicht meine Art, groß hier herumzuheulen. Und so manche meiner Kommentare mögen den einen oder anderen etwas schockieren und machmal an der Grenze zur Geschmacklosigkeit sein, aber ich denke als Betroffener darf ich das…. Man mag denken, dass ich die Krankheit nicht ernst nehme, doch dem ist nicht so. Ich bin mir vollkommen darüber im klaren, wie schwer ich erkrankt bin und natürlich ist mir auch klar, dass man an dieser Erkrankung auch sterben kann. Insofern hat mich die Diagnose meiner Erkrankung – insbesondere beim zweiten Mal – auch vollkommen fertig gemacht, doch recht schnell habe ich mir gesagt, dass ich mich davon nicht fertig machen lassen will. Zunächst einmal klingt Krebs ganz schrecklich (wobei die Ärzte niemals das Wort Krebs in den Mund nehmen), aber wenn man sich etwas darüber informiert, sieht man recht schnell, dass man es als Mann kaum besser treffen kann, denn Hodenkrebs ist nun mal die am besten heilbare Krebsform bei Männern. Vor allem, wenn man es so früh entdeckt wie bei mir. Sicherlich, mir wurden zwei Körperteile entfernt, die für viele Männer den Mittelpunkt ihres Daseins darstellen, doch das war für mich eigentlich mit das kleinste Problem – auch in Implantat war für mich nie ein Thema – mein Urologe war da auch ganz cool. Er fragte mich, ob ich das will, oder ob ich so selbstbewusst bin, dass ich damit leben kann. Natürlich denkt man darüber nach, doch mittlerweile bin ich froh mich so entschieden zu haben – und ich muss sagen, dass ich bisher nichts vermisse. Ok, ich werde mir mein Leben lang Hormone spritzen müssen, aber alle drei Monate eine Spritze in den Bobbes ist nun auch nicht sonderlich schlimm.

Auch die Chemotherapie, die ich bekam, wird vielfach unterschätzt. Eine Freundin, die mich im Krankenhaus besuchte fragte ganz enttäuscht: ” Das ist Chemotherapie? Sieht so harmlos aus.” Das tut es auch, sieht aus wie Wasser, hat aber auf den Körper eine etwas andere Wirkung. Ich wurde mehrfach gefragt, ob ich denn überhaupt eine “richtige” Chemotherapie mache – vor allem da es mir größtenteils anscheinend recht gut ging. Anfangs war ich mir auch nicht so recht sicher und habe meine Onkologen gefragt, wie die Therapie, die ich bekam, einzuordnen ist. Sie sagten mir, dass vor allem das Cisplatin schon zu den Chemo-Hämmern zählt, Kindergarten ist das also in keiner Weise. Allein die Liste mit den Nebenwirkungen wäre schon einige Seiten hier lang. Glücklicherweise kann man die Nebenwirkungen mittlerweile recht gut unterdrücken – ich mag mir nicht vorstellen, wie das Ganze vor ca. 10 Jahren aussah. Ich hatte das zusätzliche Glück, dass ich “nur” drei Zyklen bekommen habe. Mit jedem weiteren wäre es schon härter geworden. Der erste war ein Kinderspiel, beim zweiten dachte ich mir “ok, das wird nun langsam anstrengend”, und das Ende des dritten Zyklus war schon heftig, mehr musste dann auch nicht sein. Mir ist auch klar, dass diese Chemotherapie nicht spurlos an meinem Körper vorbei gegangen ist – auch wenn es mir schon wieder recht gut geht, habe ich nun eine weit höhere “Chance” erneut an einer anderen Krebsform zu erkranken. Das ist natürlich übel, doch auf der anderen Seite – gäbe es keine Chemotherpie, wäre ich vermutlich an diesem Tumor bereits jetzt gestorben – oder würde das noch tun. Und ich hoffe mal, dass sich in den nächsten Jahrzehnten einiges in der Krebstherapie tut, so dass ich dieses Risiko recht gelassen sehe – wir werden sehen…

Schließlich, und das ist eventuell auch mit das Wichtigste, hatte ich immer Menschen, die mir geholfen haben: Familie, Freunde und vor allem Julia. Auch wenn es furchtbar abgedroschen und dämlich klingt – in solchen Lebensabschnitten sieht man dann doch, auf wen man wirklich zählen kann und wer doch nur ein Freund in guten Zeiten ist. Teilweise war das schon ziemlich traurig, aber so habe ich wenigstens erfahren, wo ich stehe und so schnell werde ich das alles nicht vergessen, vor allem nicht, wer für mich – in welcher Form auch immer – da war. Danke Euch allen.

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