FURTHER TRUTH 2021

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Wie fängt man an, bei einem Event wie dem FURTHER, an dem ich in diesem Jahr teilnehmen durfte?
Zunächst einmal die Frage, was ist das überhaupt?

  • Ist es ein Radrennen: nur zum Teil!
  • Ist es ein Orientierungslauf: teilweise!
  • Ist es ein Mehrtages Bikepacking Event: Ja, aber auch das trifft es nicht ganz!
  • Ist es ein großes Community Event: nein, eher nicht.

Im Grunde ist es ganz einfach: der Organisator (Camille), denkt sich jedes Jahr einen neuen Track von ca. 500km aus, den die Fahrer dann in Eigenregie und selbstversorgt innerhalb von 4 Tagen absolvieren müssen. Klingt nun nicht dramatisch, dummerweise lebt Camille in den Pyrenäen, und hier gibt es doch einige Berge, so dass zu den reinen Kilometern in diesem Jahr noch ca. 17.000hm dazu kamen. Und weil das ja noch nicht reicht, hat er die Strecke so geplant, dass man Teile davon laufend bewältigen muss, d.h. das Rad schiebend oder tragend (ich gebe zu, diese Teile habe ich etwas unterschätzt). Dabei ist Camille nicht irgendwer. Er kann auf eine lange Radsporterfahrung zurückblicken. Zunächst als Fahrer, später war er als Photograph bei all den großen Pro Tour Events dabei (er war einer von den Irren, die rückwärts auf den Motorrädern durch die Alpen und Pyrenäen rasen). Leider konnte das Event in diesem Jahr nicht wie früher an einem Wochenende stattfinden, sondern an drei, so dass es eine Art virtuelles Event wurde. Nachdem ich nach langem Betteln endlich meinen Startplatz bekommen hatte, konnte ich meine Tour detailliert vorbereiten (so gut das denn ging, denn den Track bekam ich erst drei Tage vor dem Event – Camille ist da schon sehr französisch ??). Ich wollte mit dem Focus fahren, denn in den Rahmen konnte ich recht breite Reifen montieren, da mir klar wurde, dass die Schotterwege in den Pyrenäen etwas anders aussehen als in Deutschland. Das Bike bekam, dann auch noch zwei Upgrades, einmal neue DT Swiss Laufräder und dann noch Garmin Rally Powermeter Pedale. Beides waren super Investitionen, die Laufräder sind ein Traum und über die Pedale konnte ich meine Leistung perfekt steuern.

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Was nimmt man also für solch ein Event mit? Nun, einmal natürlich die Schlafausrüstung, also Schlafsack, Luftmatraze und ein Tarp. Dazu noch ein Biwak Sack für Notfälle und ein kleines Kopfkissen wegen meines Nackens. Als Wechselklamotten hatte ich mir für die Nacht meine Skins Kompressionshose und Shirt eingepackt und die CEP Socken. Ich würde ja alleine sein, da kann man ja aussehen wie ein Honk. Dazu kamen noch einige vorgeschriebene Dinge, wie Daunenweste und natürlich Regenklamotten. Der Rest war dann Futter für die drei bis vier Tage, ein Mini Erste Hilfe Set, zwei Powerbanks, Handy und ein Photoapperat. Um das Rad besser tragen zu können, hatte ich noch eine Bandschlinge dabei, damit konnte ich es auf dem Rücken befestigen – das war der Plan….

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Das bekam ich alles in meinen Taschen unter, ich wollte nicht mit Rucksack fahren. Camille war etwas fasziniert, dass ich sogar einen Gaskocher dabei hatte, ich wollte aber zumindest am Abend etwas “Vernünftiges” essen, nicht nur Energieriegel. Und ein Kaffee am Morgen ist ja dann auch ganz nett.

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Freitag um 9 Uhr ging es dann los. Wir waren an diesem Wochenende nur zwei Starter, der dritte hatte seinen Start auf die kommende Woche verschoben. Michal hatte es bereits in der vorherigen Woche versucht, musste aber aussteigen, da seine Bremse defekt war – und das ist hier in den Bergen ein sehr guter Grund.

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Das “Wettkampfbriefing” fand dann One on One bei Camille bei einem Frühstückskaffee statt. Danach bekam ich meinen GPS Tracker und pünktlich um 9 Uhr ging es los.

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Ich war froh, denn ich war doch arg nervös. Groß Einrollen gab es nicht, direkt nach dem Start geht es einen so steilen Berg rauf, dass wir schon nach 100 Metern schieben mussten. Danach wurde es aber besser und die Strecke führte in moderatem Anstieg rauf auf den Mont Foucat, quasi der Hausberg von Camille. Hier kam dann aber tatsächliche die erste ernste Schiebe- bzw. Tragepassage. Es wurde so steil, dass ich das Rad schieben musste, Tragen war noch nicht notwendig. Am Gipfel gab es dann auch einige Zuschauer in Form von Schafen.

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Der Abstieg hatte es dann aber in sich. Das war schon kein Weg mehr und schon gar keiner, den man mit dem Rad runter kam (zumindest nicht, wenn man an seine Leben hängt). Auch schieben ging hier nicht mehr, dafür war es zu steil und zu steinig.

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Also Rad auf den Rücken. Die Konstruktion mit der Bandschlinge funktionierte auch einigermaßen.

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So stolperte ich dann den Hang runter, verfehlte dann einige Male den Track und musste mich durch das Grad oder die Büsche schlagen, bevor nach ca. einer Stunde endlich wieder ein Weg auftauchte, auf dem ich endlich wieder fahren konnte. Es ging dann noch etwas auf der Höhe weiter, bevor der erste Downhill zurück ins Tal anstand. Auf einer dieser Pyrenäen Rüttelpisten ging es abwärts. Erholen ist hier nicht, da man ständig den gröbsten Steinen ausweichen muss und eigentlich kontinuierlich bremsen. Ich war selbst überrascht, wie gut meine kleinen 140mm Bremsscheiben diese Dauerbremsaktionen überstanden – anscheinend hat Shimano das Hitzeproblem ganz gut in den Griff bekommen.

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Irgendwann war aber auch diese Holperei zu ende und ich konnte mich auf den kommenden ca. 15km auf einem Asphaltstück etwas erholen, an einem Brunnen meine Flaschen auffüllen und auch mal etwas futtern, bevor es in das nächste Offroad Stück ging – hinauf zum Col de Marmare. Dieses Stück kannte ich schon, war ich es doch schon am Montag auf einer Trainingsrunde gefahren. So kam ich auch hier recht zügig rauf. Danach wurde es etwas entspannter, auf einer recht langen Asphaltabfahrt – die ich schon vom Altriman kannte – ging es zurück ins Tal und weiter wellig auf immer wieder bekannten Stücken. Das kam mir extrem entgegen, wusste ich doch, was mich erwartete.

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Leider hatte Camille auch die wirklich fiesen Anstiege des Altriman mit eingeplant: einmal hinauf nach Escolubre und dann vor allem der Anstieg von Carcancier le Bains nach Carcancier. Beim Altriman war ich hier mit 9km/h rauf gekrochen und nun ging es auch nicht viel schneller (aber es sollten noch steilere Berge kommen). In Querigut nutzte ich einen Brunnen, um mal wieder meine Flaschen aufzufüllen und das war auch bitter nötig gewesen. Nach einem weiteren bekannten Altriman Anstieg raus aus dem Ort bog die Strecke dann wieder auf ein langes Schotterstück ab, das sich wieder wellig durch das Tal zog und nicht enden wollte. Hier gab es keine Möglichkeit die Flaschen nachzufüllen und am Ende des Schotterstücks startete direkt der lange Anstieg zum Pailheres. Auch den kannte ich schon, und konnte mir den Aufstieg gut einteilen – vor allem auch meine Wasserreste, denn Brunnen gab es hier keine. Oben erwartete mich dann Camille um mal wieder einige Photos zu machen und mich zu motivieren, aber das war kaum notwendig, es ging mir bestens und nun kam ja eine lange schöne Abfahrt.

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Unten im Tal gab es dann auch endlich wieder einen Brunnen zum Nachfüllen der Flaschen, so dass ich beruhigt weiter fahren konnte. Natürlich ging es dann nicht auf dem direkten Weg nach Ax-Les-Thermes, sondern wieder durch einen Wald und Offroad über einen steilen Berg. Hier war mal wieder etwas Schieben angesagt und auf der Abfahrt eine lustige Holperei ins Tal. Langsam ging nun auch die Sonne unter, was mich mit einem herrlichen Sonnenuntergang belohnte. Das Stück zwischen Ax-les-Thermes und Les Cabanes war dann ok, aber nicht weiter spektakulär. Im Grunde schlängelte sich der Weg im Tal entlang, mal auf Radwegen, dann wieder lustige kleine Singletrails – halt was man als Kursplaner so finden konnte. Camille hatte mich vorgewarnt, dass es am ersten Night Curfew Punkt kein Wasser geben würde, so füllte ich in Les Cabanes noch einmal meine Flaschen und Wasserbeutel auf, um dann den letzten Anstieg des Tages in Angriff zu nehmen.

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Es ging zunächst über die bekannte Straße hinauf zum Plateau de Bailles und dann weiter über recht breite Schotterwege. Hier musste ich aufpassen, den Stopppunkt nicht zu verpassen, es sollte hier eine Hütte geben, in der ich übernachten konnte, doch die konnte ich in der Nacht nicht finden. Statt dessen begegnete ich mal wieder Kühen, die mich verwundert ansahen und ein Wildschwein kreuzte auch mal meinen Weg. War aber nicht weiter dramatisch. Gegen ca. 0:45 Uhr suchte ich mir einen Schlafplatz, der einigermaßen geschützt war. Schnell baute ich meinen Schlafplatz auf, zog mich um und dann gab es endlich etwas “Anständiges” zu essen. Was war ich froh, dass ich meinen Kocher dabei hatte und etwas warmes essen konnte. Unter einem fantastischen Sternenhimmel – ich glaube ich habe noch nie so viele Sterne gesehen – kroch ich dann in meinen Schlafsack und war auch gleich eingeschlafen.

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Leider nicht lange, um 5 Uhr klingelte schon wieder der Wecker. Um wach zu werden machte ich mir noch einen Kaffee, den ich auch bauchte, um mein Frühstück: eine Packung Panzerkekse – hinunter zu bekommen. Während ich mein Zeug zusammen packte ging die Sonne wieder spektakulär auf und ich konnte mich beinahe pünktlich auf die Weiterfahrt machen. Ich war hoch motiviert und hatte die fixe Idee, schnell durch das Laufstück zu kommen, dann mit Druck weiter zu den kommenden Laufstücken, diese auch heute zu schaffen und dann nach einer kurzen Nachtpause direkt ins Ziel zu fahren – lustiger Plan….

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Das erste Laufstück holte mich dann in die Realität zurück. Zunächst konnte man das Rad noch schieben, dann ging es in Kletterei über und ich musste es auf dem Rücken tragen. So ging es dann weiter – bergauf, aber auch den einen oder anderen steilen Abstieg zurück in kleine Täler. Einen wirklichen Weg gab es hier auch nicht mehr, mehr die Trampelpfade der Kühe und auch die teilweise nicht mehr und ich stolperte durch das hohe Gras und Gebüsch. Ich wusste, dass wir bis zu einer Hütte laufen mussten, meine Hoffnung war, dass es ab da wieder einen Zufahrtsweg gab, den ich hätte fahren können, aber nein, zwar gab es die Hütte, aber keinen anständigen Weg, also weiter bergab getragen. Was habe ich Camille zwischenzeitlich verflucht. Das wäre schon mit einer normalen Wanderausrüstung eine hübsche Wanderung geworden, mit Radschuhen und Rad auf dem Rücken war es der komplette Irrsinn und ich wurde natürlich von den Wanderern vollkommen entgeistert angesehen, die sich vermutlich fragten: “Warum schleppt der Irre hier ein Rad den Berg rauf und wieder runter?”.

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Nach ca. 4,5 Stunden kam die Erlösung: endlich wieder eine Straße, über die ich dann zurück ins Tal fliegen konnte. Im Grunde kam ich genau da wieder raus, wo ich am Abend zuvor meine Flaschen aufgefüllt hatte – das hätte man also einfacher haben können. Ohne viel Erholung kam direkt der nächste brutale Anstieg: in praller Sonne ca. 1000hm, zunächst auf einer kleinen Straße, dann über den bekannten Holperschotter. Auch hier gingen meine Wasservorräte wieder schnell zur Neige und Gelegenheiten zum Nachfüllen gab es nicht. Den Zacken hatte ich irgendwie bei der Strecke übersehen. Weiter ging es danach über Niaux und beinahe zurück nach Tarascon Sur Ariege (hier hätte ich auch gleich zurück auf unseren Campingplatz fahren können). Julia erwartete mich hier und ein Stück weiter auch wieder Camille, der mir noch einige Tipps für das kommende Tragestück gab. Mein Plan war natürlich schon hinfällig, ich wollte nur noch das kommende Tragestück schaffen und dann noch etwas weiter zu fahren, um dann am kommenden Tag die letzten beiden Tragestücke direkt morgens angehen zu können. Ja, ok, so kam ich um ca. 18 Uhr am dem Checkpoint an, konnte also weiter fahren, bzw. laufen. Nun ging es erst durch einen Wald steil bergauf. Einen Weg gab es hier nicht mehr, so orientierte ich mich nur noch an dem GPS Track und krabbelte irgendwie den Berg rauf. Wieder einmal mit reichlich Flucherei über Camille. Damit war es aber noch nicht vorbei, noch lange nicht. Nach einer kurzen Verschnaufpause in einem schönen abgelegenen Bergtal, führte der Track nun gefühlt eine senkrechte Wand rauf. Es wurde so steil, dass ich auf allen Vieren den Berg hinauf kletterte, das Rad noch zusätzlich auf dem Rücken. Dazu kam, dass der Weg eng durch Büsche und kleinere Baumgruppen führte, die so eng standen, dass ich mit dem Rad auf dem Rücken nicht durchkam, also durfte ich zusätzlich zu der Kletterei auch noch das Rad durch die Engstellen balancieren. Eigentlich darf man das gar niemandem erzählen…

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Und natürlich war es auch wieder so, dass der Abstieg keinen Deut besser wurde. Zwar nicht mehr so steil, dafür ging es nun über eine Kuhweide oder wie auch immer man das nennen will zurück ins nächste Tal. Der “Weg” war auch hier wieder ein Kuhweg, also mehr Gestolpere als sonst etwas. Rückblickend ist es ein Wunder, dass ich nicht einmal umgeknickt bin. Dafür zerschrammte ich mir an den vielen kleinen Büschen ordentlich die Schienbeine. Der “Weg” führte dann zurück in ein Tal in eine alte verlassene Siedlung oder was auch immer das war. Auf jeden Fall sehr hübsch anzusehen, die alten typischen Häuser.

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Teilweise kann man diese noch benutzen, zumindest sah es so aus, als würden dort Wanderer übernachten. Es wurde nun langsam dunkel, ich wollte aber noch einige Kilometer machen, so ging es weiter auf den Col d’Agnes und wiedder runter nach Aulus les Bains. Dort kam ich vollkommen verkühlt und zitternd an, die Abfahrt im Dunkeln war dann doch etwas kalt. Dazu kam, dass ich mal wieder etwas essen musste – und beides tat ich dann im Ort. Auch konnte ich mal wieder meine Flaschen und Wasserbeutel auffüllen, denn mein neuer Plan sah vor, noch auf den Col Latrappe zu fahren und dann dort zu übernachten. Leider fand ich dort oben keinen guten Platz, also ging es wieder runter und nach einigem Suchen konnte ich mein Nachlager schlussendlich auf einem kleinen abgelegenen Feldweg aufschlagen. Dort wieder das gleiche Programm: Umziehen, Essen und ab in den Schlafsack. Leider sahen meine Füße ganz übel aus. Ich war ja bei den Wanderaktionen mehrfach in Matschlöcher getreten und so waren Schuhe und Socken komplett nass geworden und dann nicht wieder getrocknet. Nach 10 Stunden sieht die ganze Geschichte dann halt nicht mehr so toll aus, aber nun konnte sich die Haut ja für zumindest 3 Stunden Schlafenszeit erholen.
Wieder klingelte mich mein Wecker um 5 aus dem Schlaf, wieder Frühstück und wieder alles zusammenpacken. Ãœberraschenderweise ging es mir ganz gut. Ok, die Füße taten noch weh, aber Beine waren ok und auch sonst war ich nicht komplett erschlagen. Da die Socken immer noch feucht waren, ließ ich die CEP Socken an, die ich eigentlich nur für die Nächste dabei hatte. Sah zwar mehr als bescheiden aus, aber wenn es hilft… So fuhr ich dann richtig motiviert in Richtung der letzten Wanderpassage. Das war eine Schleife mit einer ca. 10km langen Zufahrt. Ich dachte mir, dass ich wieder maximal 3-4 Stunden wandern müsste, ich wäre also gegen 11 oder 12 fertig mit der Runde, dann noch die restlichen 90km und ich wäre noch vor Sonnenuntergang im Ziel. Ja, war wieder mal ein netter Plan… Ich kam recht gut und schnell bis zu dem Beginn des Anstiegs – es stand ja noch einmal ein 2400m hoher Pass an. Zunächst konnte man den Anstieg gut fahren, erst auf Straßen, dann auf Schotter und dann wurde es immer steiniger, bis ich das Rad nur noch schieben konnte.

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Dann wieder etwas fahren, dann wieder schieben und dann war mal wieder Ende Gelände: es wurde so steil und steinig, dass ich das Rad nur noch tragen konnte. Durch ein abartig steiles Tal ging es auf den Port de Salau.

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Früher wurden hier wohl Baumstämme über den Berg gewuchtet, daher befinden sich hier oben noch die Überreste einer alten Station. Das wäre auch ein klasse Platz zum Biwakieren, aber ich wollte ja weiter.

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Natürlich konnte ich nach dem Pass nicht mit dem Rad fahren, sondern über Trampelpfade ging es über eine ca. 10km lange Traverse zum nächsten Pass: dem Port d’Aula. Diese Traverse hat mir wirklich den Rest gegeben. Mehrmals dachte ich mir, dass ich einfach aufhören könnte, doch was dann? Also weiter. Mehrmals verlief ich mich es gab hier viele parallele Wege, die die Tiere hier in den Hang gelaufen hatten, natürlich erwischte ich immer wieder den falschen und musste dann von einem auf den anderen Weg klettern. Meine Füße spürte ich schon garnicht mehr, so sehr schmerzten sie. Dafür wurde ich aber mit unglaublichen Ausblicken auf die berge belohnt, daher war ich ja immerhin hier. Hier gab es auch reichlich Schafe und wo es Schafe gibt, gibt es auch Schäferhunde – und mit denen sollte man auch nicht spaßen. Der erste, der mich recht deutlich auf seine Herde hinwies war noch recht entspannt: bellte mich einige male an, begleitete mich dann ein Stück und blieb dann zurück, um mich aus der Ferne zu beobachten. Etwas später kamen dann aber noch zwei weitere Kameraden, die mich schon etwas heftiger angingen. Mit aufgestelltem Nackenfell und knurrend bellten sie mich an und wollte erst einmal nicht nachgeben. Ich habe sie dann einfach ignoriert und so lange gewartet, bis es dem ersten zu blöd wurde und er sich wieder trollte. Der zweite war dann auch etwas entspannter und ganz langsam und vorsichtig konnte ich dann weiter ziehen. Uff, braucht man aber nicht. Dafür sah ich kurz danach ein Erdhörnchen, das über den Weg huschte – nein, kein Murmeltier, sondern ein Erdhörnchen. War leider zu schnell für mich, daher kein Bild. Nach ca. 7 Stunden Rad Schlepperei kam ich endlich an dem Port d’Aula an.

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Hier ging ein Sturm, der mich beinahe wieder von dem Pass wehte und ich hatte mich mental schon wieder darauf eingestellt, das Rad wieder den Berg runter zu tragen, doch was sah ich da: hier ging ein breiter Schotterweg bis hier herauf. Ich hätte heulen können, so glücklich war ich. Camille erklärte mir nachher, dass dies eine geschichtsträchtige Straße ist (Camí de la llibertat oder Road to freedom): Zur Zeit des zweiten Weltkriegs war dies eine Fluchtroute der französischen Juden nach Spanien (und dann später wieder zurück).

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So konnte ich dann endlich wieder fahren und musste das Rad nicht mehr tragen. Das Geholper war mir nun auch egal und Serpentine um Serpentine ging es zurück ins Tal. Dort wartete überraschenderweise Julia.

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Nach einem kurzen Stopp ging es also auch hier weiter und nun erst einmal auf Straßen und moderaten Offorad Stücken weiter. In einem Waldstück wurde es noch einmal feucht und matschig, so dass ich kurze Stücke schieben musste, aber alles kein Vergleich mehr zu dem was hinter mir lag. Eigentlich konnte nun nichts mehr passieren und meine Motivation stieg wieder. Herrlich. Meine beine waren auch noch recht fit, ich konnte immer noch ähnliche Werte treten, wie zu Beginn der Tour, mein Powermeter leistete mir hier perfekte Dienste. Und damit mir auch nichts erspart blieb (ich hatte mir zwischenzeitlich überlegt, dass ich ja die Regenklamotten und Arm- und Knielinge umsonst mitgeschleppt hatte) fing es dann pünktlich im Anstieg zum Col de Peguere an zu regnen.

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Bergauf war das noch nicht so dramatisch: der Pass ist so steil, da wird einem nicht kalt. Bei bis zu 18 Prozent kroch ich den Berg rauf, um mir dann oben die Weste, Armlinge, Beinline und Regenjacke und Regenhose anzuziehen. Wenn ich die Klamotten schon dabei hatte, brauchte ich ja auch nicht zu bibbern. So machte mir der Regen nichts mehr aus und ich rollte hoch motiviert weiter, einen Berg gab es noch, dann die Abfahrt ins Tal und dann der Schlussanstieg, den ich aber auch schon kannte. Die Schotterstücke waren auch nicht mehr so heftig, so dass ich sehr zügig voran kam. Dabei hatte ich immer das Zitat von Sepp Kuss zu seinem Sieg in Andorra im Ohr, das Julia mir per SMS geschickt hatte: Ich sollte auf den Pedalen tanzen (ok, übersetzt klingt das blöd, schaut Euch das Interview von Sepp nach der TdF Etappe an). Camille lauerte auch wieder auf mich und schoss ein klasse Bild von mir und endlich ging es bergab zurück ins Tal.

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Es wurde nun auch dunkel, also ein Daylight Finish wurde es nicht mehr. Vor dem letzten Anstieg standen Julia und Camille noch einmal, schossen noch eimal einige Bilder von mir, bevor ich dann den letzten Anstieg in Angriff nahm.

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Vorher zog ich noch die Regenklamotten aus, und dann all out an den letzten 600hm. Gut ganz so viel war da nicht mehr, aber 250 bis 300 Watt gingen noch. Den Anstieg war ich ja auch schon zweimal gefahren, so dass ich ihn auch in der Dunkelheit sehr gut rauf kam und wusste was noch kam. Dann endlich der letzte Ort (und das Ende der Straße). Nun nur noch eine 3-4km lange Traverse auf einem Schotterwegs ins Ziel. Diese fuhr ich extrem vorsichtig, ich wollte nun nichts mehr riskieren. Einem kleinen Fuchs begegnete ich hier auch noch, der war aber eher überrascht, dass hier nachts ein Radfahrer lang kam. Dann endlich: die letzte steile Abfahrt und dann ZIEL!! Julia und Camille warteten schon, dazu seine Familie und auch Michal, der mit mir vor 2 Tagen gestartet war, dann aber aufgeben musste. Nach 61 Stunden und 15 Minuten hatte ich es geschafft und bin damit der erste FURTHER TRUTH Finisher in diesem Jahr.

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Mal sehen, wie es an den kommenden Wochenenden bei den nächsten Startern läuft. Ich war aber erst einmal nur super fertig und geschafft, ich denke das sieht man auf den Bildern auch ganz gut. So fuhren Julia und ich dann auch bald zurück zu unserem Campingplatz, wo ich dann endlich die Klamotten ausziehen, duschen und dann noch etwas essen konnte, bevor es dann gegen Mitternacht ins Bett ging. Leider taten mir meine Füße so sehr weh, dass ich kaum schlafen konnte. Julia sagte, sie habe noch nie so große Blasen gesehen und damit hatte ich auch noch einige Tage zu kämpfen.

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Nun stellt sich natürlich die Frage: war es das alles wert? Ich hatte mich bereits im Februar bei Camille gemeldet und um einen Startplatz gebettelt. Im Juli erhielt ich dann endlich die Zusage und ich bin ihm immer noch dankbar dafür. Ob die Geschichte nun härter war als ein IRONMAN, der Embrunman oder der Altriman – das ist schwer zu vergleichen und darum geht es ihm auch nicht. Natürlich tendiert man erst einmal dazu, das letzte Event als das härteste zu sehen, aber ich glaube, man kann diese einfach nicht vergleichen. Camille wollte ein Event schaffen, das sich wieder mehr an den traditionellen Radsporttugenden orientiert, also kein KOMs, FTP, CP und sonstige Entwickllungen. Er will ein Event in einer grandiosen Landschaft etablieren, fordernd aber nicht übertrieben wettkampforientiert. Natürlich hat man den Wettkampfgedanken immer im Hinterkopf, aber im Grunde geht es darum nicht. Vielmehr hat man damit zu tun, die Strecke zu schaffen und ist viel mehr mit sich selbst beschäftigt. Und es ist eben auch keine Rundumversorgung, wie wir es oft gewohnt sind. Eigentlich ganz einfach: es gibt gar keine Versorgung oder Betreuung. Julia durfte mir nichts anreichen, ich hatte alle meine Verpflegung und Ausrüstung immer dabei. Und es ist halt auch mehr als nur ein Radrennen. Man muss auch gut im Bergwandern sein – etwas alpine Erfahrung ist dabei schon ganz gut, meine Pfadfindererfahrung war auch ganz hilfreich, wenn es mal wieder keinen wirklichen Weg gab, man sollte schon mal biwakiert haben und man sollte wissen, wie man sich im Hochgebirge verhält, wenn das Wetter umschlägt, man muss auch mal drei oder vier Tage mit minimalem Gepäck auskommen, auf die Ernährung achten (und Angst vor Insekten in der Nacht sollte man auch nicht haben). Dazu noch ein wenig Gelassenheit, wenn der Weg etwas luftiger wird oder die Natur in Form von Wildschweinen oder Schäferhunden angreift. Wölfe oder Bären habe ich leider keine gesehen und auch von den Zecken, die dort ein Problem sein können, bin ich auch verschont geblieben.
Also, nun schau ich mir erst einmal virtuell an, was die anderen Starter in den kommenden Wochenenden so treiben und dann – schaun mal mal, was das kommende Jahr bringt. Ich glaub ich will da wieder hin 😉

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