Da vorne wird es flacher – Swissman 2013

Schon früh in der Saison stand mein Saisonhighlight auf dem Plan: der Swissman!

Schon am Sonntag vor dem Rennen machten wir uns in unserem mal wieder gemieteten VW Camper California auf den Weg in die Alpen, um die Strecke des Rennens in Augenschein zu nehmen und ein paar Tage Urlaub zu machen. Am Sonntag Nachmittag fuhr ich den Gotthardpass (der erste Pass meines Lebens) rauf – bis zur Schranke, wo die Tremola (Kopfsteinpflasterstück auf 4 Kilometer bis zur Passhöhe) anfängt. Ein Anruf an Alex klärt auf, dass dort noch Schnee zu sehen sei (er war auf der schnelleren Alternativstraße mit dem Bus schon hoch gefahren). Treffpunkt an der Moto Bartolo auf dem Weg zum Gotthard rauf ausgemacht, dort getroffen und mit dem Bus das erste Mal rauf. Aber dann könnte ich doch mit dem Rad wenigstens noch runter? Rad wieder ausgepackt, losgefahren und schon nach 2 km sah ich die Autoschlange. Durchwieseln wäre mit dem Rad gegangen, aber Alex muss ja hinterher. Und bei der Geschwindigkeit der Schlange wäre ich auf dem Grimsel bevor er mich wieder eingeholt hat. Also, Radl wieder eingepackt, rumgedreht und dann sahen wir, dass die alte Passstraße auf den Gotthard rauf hier wohl offen zu sein schien. Wir also abgebogen, aber sie war nicht offen. Und beim Wenden des Busses passierte es: Alex übersah den stählernen Wegbegrenzungspfosten und Rumms stieß der Heckgepäckträger daran und die Pedale des Treckingrades löste die Zerbröselung der Heckscheibe aus. So ein Mist! Aber: die Versicherung wirds richten… Dann wollten wir wirklich nur noch zum Campingplatz nach Faido.
Für den nächsten Tag standen dann die Erkundung des Furka- und Grimselpasses an. Die Sonne strahlte vom Himmel, es war wunderbar! Alex nutzte die Gelegenheit ausgiebig, tolle Bilder vor der Kulisse zu machen und ich erfreute mich an der tollen Aussicht. In Innertkirchten tauschten wir die Rollen und Alex durfte aufs Rad steigen, während ich den Bus lenkte. Statt Furka und Gotthard wollte er den Nufenenpass fahren. Der war aber zu. Zumindest für Autos. Zwei Radfahrer, die gerade runterkamen, sagten, der Weg sei frei und mit dem Rad käme man ohne Probleme durch. Also machte sich Alex alleine auf den Weg während ich so schnell es ging über Furka und Gotthard fuhr (was war ich froh, dass ich den California hatte und nicht ein größeres Gefährt!), damit Alex nach der Abfahrt nicht zu lange würde warten müssen. Der ließ sich allerdings Zeit, machte, wie ihr wisst, Fotos von Murmeltieren und Steinböcken und so wartete ich dann doch ein bisschen. Und ab nach Locarno, wo wir bis zum Rennen unseren Bus parken wollten.
Die nächsten Tage waren für mich relativ ereignislos – chillen, erholen und vorbereiten auf den Wettkampf waren angesagt. Da ich in der Woche vor einer LD immer noch einen 5er zügig laufe, machte ich dies am Dienstag Abend. Das hätte ich vielleicht nicht tun sollen bzw in dieser Konsequenz. Mir brannten danach die Oberschenkel (Tempo gab es an dem Tag auch kein richtiges, Saltinsdiät sei dank!), als wäre ich 20km bergab gelaufen… hoffentlich würde das wieder besser werden bis Samstag…
Während Alex seine Touren durch die Berge machte, chillte ich weiter. Morgens vor dem Frühstück gab es ein lockeres Schwimmen im angenehm temperierten Lago Maggiore und dann war endlich Freitag, der Tag der Wettkampfbesprechung. Da wir mittags vom Campingplatz sein mussten (wir wären am Wettkampfmorgen dort nicht vor 7 Uhr weggekommen), nutzten wir die Zeit und fuhren die Radstrecke bis Bellinzona noch einmal mit dem Bus ab. Dann noch die letzten Besorgungen gemacht und auf nach Ascona. Die Wettkampfbesprechung war schnell gemacht: Wassertemperatur: 20° – also kein Neoverbot Furkapass war wegen des Wetter gestern noch geschlossen. Sollte das schlechte Wetter anhalten, würden wir alternativ den Sustenpass fahren. Hmm, Wetterbericht für Samstag Morgen war, dass es regnen bzw auch gewittern könnte. Sollte das sein, würde das Schwimmen ausfallen und wir würden einen 7km Lauf als Start machen. Als die B-Pläne angekündigt wurden, musste ich grinsen bei dem Gedanken, dass man so etwas mal bei einer WTC/Challenge-Veranstaltung machen sollte…
Wie immer ist die Nacht vor einem Rennen kurz. Und irgendwie scheint sich ein Muster heraus zu kristallisieren, dass die Nacht auf dem Campingplatz besonders unruhig wird. Dieses mal war es keine elektrische Luftmatratze, die aufgeblasen, sondern Heringe, die eingeschlagen wurden. Aber egal, um 2 Uhr meldete der Wecker, dass wir nun aufstehen müssten. Dann alles wie gehabt: erster Startershake, Weißbrot mit Honig und endlich wieder KAFFEE!!! Dann mit Sonnencreme eingecremt, den California beladen und auf ging es nach nach Ascona. Als wir das Rad ausluden war es ein bisschen am Regnen…vielleicht doch ein Lauf zum Auftakt? Aber nein, es hörte auf. Dann also die Wechselzone eingerichtet, zum Bootsanleger gewandert, Neo angezogen und dann ging das einschiffen auf dem Partyboot auch schon los. Harald und ich ließen uns mit den anderen Athleten auf den See schippern. Ausstieg auf dem Bootsanleger zwischen den Brissago-Inseln und ab ins Wasser. Mit ein bisschen Verspätung, dafür aber mit Handschlag von Katrin und Beat Stadelman von der Orga ging die Kuhglocke als Startzeichen los. Orientierung war eine Blinklampe an einem Boot und am Ufer. Ein bisschen dunkel war es schon noch, aber im Laufe der Zeit wurde es heller. Das Getümmel am Start löste sich schnellstens auf und für die nächsten 75 Minuten war ich alleine unterwegs. Bei Kilometer 2,5 setzte dann die Langeweile ein, aber ich versuchte, mein Tempo zu halten. Endlich, das Ufer! Schwimmen vorbei, nun geht der Spaß endlich los. Alex wartet am Ufer, läuft mit mir in die Wechselzone und wir versuchen, möglichst schnell die bereitgelegten Klamotten anzuziehen. Definitiv noch room for improvement
Auf der Fahrt nach Locarno überhole ich Trix, mit der ich die kommenden 50km mehr oder weniger zusammen fahren werde. Wenig später überholen wir Vibeke, die ab da ebenfalls mit uns fährt. Falls sich jemand wunderte, warum ich bis zum Gotthard meistens vorne gefahren bin – ich fahre lieber vorne und meinen Rhythmus, als hinten immer auf den Abstand achten zu müssen. Die Wolken am Himmel bedeuteten nichts Gutes und so öffneten sich die Schleusen des Himmels bei Kilometer 40. Es regnete, innerhalb von Minuten war alles nass, Zeit die Regenjacke anzuziehen. Alex wartete alle 5-7km ohnehin, schaute, ob ich etwas brauchte und an der Stelle freute ich mich über die Regenjacke. Im nächsten Leben spiele ich Handball dachte ich noch – drinnen, trocken und nach 120min vorbei. Aber, Sport macht ja Spaß! Und warum hatte ich mich nochmal mit LSF 50 Sonnencreme eingeschmiert? Irgendwann konnte man zwischen den Wolken einen Blick auf den Gotthard erhaschen. Hui! Es ging weiter nach Airolo – Einstieg zum Gotthardpass. Der Regen war weniger geworden, ich hatte Alex unten noch die Regenjacke in die Hand gedrückt und ich rollte den Gotthard hoch. Was ein Glück, dass ich die Kompaktkurbel (jaha, ich bin ein Weichei!) familienintern durchgesetzt hatte. Die Tremola war noch geräumt/gefräst worden, so dass wir die alte Straße fahren konnte. Was soll ich sagen? Die 4 Kilometer bis zum Gipfel waren kalt, zugig und regnerisch. Aber immerhin fiel kein Schnee! Aber diese Pflastersteine…na, egal, da müssen alle drüber. Aber, um es mit Sandras Worten zu sagen: Es rollte wie ein Sack Nüsse. Als ich oben ankam und das Restaurant sah dachte ich für einen Moment, dass es auch sehr schön sein könnte, dort für eine heiße Zwiebelsuppe (warum auch immer ich darauf gekommen bin!) einzukehren, trockene Klamotten anzuziehen und den Tag für fröhlich zu erklären. Ein anderes Mal. Alex wartete schon mit offener Heckklappe und allem, was anzuziehen ging – Knielinge, Weste, Regenjacke. Und heißem Iso – das war so heiß, dass ich es erst nach der Abfahrt an der Ampel wartend trinken konnte. Denn unten in Hospental wird ein Kreisel gebaut, die vorläufige Verkehrsführung wird über eine Ampel geregelt. Da es keine Sonderverkehrsregelung für uns gab, hieß es dort warten. Vibeke schloss auf und wir warteten gemeinsam. 21, 22, 23,…also, ich wär dann so weit…endlich grün…Der Abschnitt zwischen Hospental und Realp ist fast flach. Runter in die Aeroposition und los. Vibeke bleibt hinter mir und ich sehe sie danach auch nicht mehr. Dann Aufstieg auf den offenen Furkapass – 12 Kilometer lang. Es regnet immer noch, je näher wir zur Passhöhe kommen, umso nebliger wird es. Zeit zum Aussicht genießen hätte ich ohnehin nicht. Die Supporterfahrzeuge bleiben ähnlich, man “kennt” sich mittlerweile. Endlich, die Passhöhe. Nun kommt eine 10km Abfahrt – bei nasser Straße nur bedingt lustig, aber, egal. Kurz vor Gletsch rauscht Andrea an mir vorbei, Moutainbikerin halt 😉 Und es geht weiter Richtung Grimselpass. Der Regen wird weniger und ich habe die Hoffnung, dass die lange Abfahrt vom Grimsel trocken sein könnte. Beim Austesten des Grimsel war ich erstaunt, wie kurz der Pass ist, nur 5 Kilometer. Immer schön weiterfahren…Oben angekommen scheint tatsächlich die Sonne! Ich stürze mich in die Abfahrt und habe einen Riesenspaß! Die Serpentinen nehme ich mit Vorsicht (ich muss ja schließlich morgen wieder arbeiten!), beschleunige aus den Kurven heraus und genieße einfach nur. Vor mir, hinter mir ist niemand zu sehen, ich flitze weiter. Es geht durch diverse Tunnel – mit 80 Sachen da durch zu fahren ist echt abgefahren. Wir kommen nach Innertkirchen und ich ziehe die Regenjacke aus. Jetzt noch den letzten kleinen Anstieg rauf. Alex wartet dort und nimmt mir die Regenjacke ab. Dann geht es runter Richtung Brienz. Es wird flach, aber mit Gegenwind (muss das sein?!). Also ab in den Auflieger und treten. Endlich, die Wechselzone. Alex hat alles vorbereitet – auf dem Campingstuhl schäle ich mich aus den nassen Radklamotten, Laufschuhe an, Gels eingepackt und dann geht es weiter. Vor mir läuft gerade auch Andrea los. Die Beine sind so lala, aber das Tempo von Andrea kann ich nicht mitgehen. Da rächte sich die Laufeinheit vom Dienstag Abend. Egal, weiter. Es geht zu den Giesbachfällen. Sehr schön, aber keine Zeit für ein Foto wie die Touristen, die dort rumstehen. Es geht auf einem Wanderweg durch den Wald. Im Gegensatz zum Vormittag, als es auf dem Gotthard bei 5° regnete, scheint hier die Sonne bei knappen 20°. Der Wanderweg geht immer wieder hübsch rauf und runter. Beim Laufkilometer 6 fängt mein Knie an zu zicken. Mist, es ist zu früh dafür. Alex kommt mir mit dem Rad entgegen, mit allem dabei, was wir für den Rest des Tages brauchen würden: Getränken, Essen, den Rucksäcken für den Aufstieg. Das war auch sehr gut, denn sonst waren die Abstände, in denen die Supporter an die Strecke konnten, schon relativ weit. Aber so hatte ich meinen Kiosk die ganze Zeit neben mir. Es geht weiter, immer ein leichtes oder weniger leichtes rauf und runter. Zwischendrin muss ich Gehpausen machen, wenn das Knie zu sehr wehtut. Aaargh! Ich verliere schon fast den Überblick, wo wir auf der Laufstrecke sind oder wie weit es noch ist. Ich hoppel in Schonhaltung durch den Wald, wenn ich gehe, sagt Alex immer wieder “da vorne wird es flacher” und ich hoppel weiter. Endlich kommt Grindelwald Grund. Dort stellt Alex das Rad ab und ab da geht es hoch. Wir verlassen den Checkpoint zusammen mit Markus und Mauri. Und wir sehen, was nun kommt! Ich denke nur: die Schweizer haben echt Humor, bauen eine senkrecht nach oben gehenden Wand und nennen das “Wanderweg”! Also gut, dann wird nun gewandert. Das Gehen findet mein Knie gut. Es geht gefühlt senkrecht nach oben. Markus und Mauri fallen hinter uns zurück. Alex und ich wandern weiter. Alles bei Sonnenschein. Die Szenerie ist beeindruckend. Ich bin gut beschäftigt mit Gehen, Essen und Trinken. Der Blick geht immer wieder zurück – wo bleibt Trix? Aber es ist niemand zu sehen. Mal mehr mal weniger steil geht es hoch. Da sehen wir endlich Alpiglen! Noch ein kleiner Schluck zu trinken und auf zu den letzten 4 Kilometern. Böse genug, wir sehen das Hotel schon aber es dauert…Immer weiter…und immer wieder der Blick zurück, ob nicht noch wer von hinten kommt. Irgendwann sagt Alex: “du hast noch 23 Minuten!” Ok, sub 15 sollte es ja schon werden . Also, nochmal Konzentration und da hören wir auch schon die Kuhglocke, die die Ankunft eines Finishers verkündet. Sie gilt mir. Und weil wir ja bei den Schweizern sind, die nicht alle Latten am Zaun haben (), ist das Ziel natürlich nicht neben der Bahnstation, sondern auf dem daneben gelegenen Hügel. Nochmal 30hm! Aber es macht keinen Unterschied mehr. Endlich oben! Ich gehe ins Ziel und kann für einen Moment kaum Worte finden. Mir wird gratuliert und Fotos werden gemacht. Und das Bewusstsein setzt ein, dass nun alles vorbei ist. So plötzlich…irgendwie…
Und dann muss ich wieder diese 30hm runter. AUA! Wir gehen langsam zu der Unterkunft für die Nacht. Da kommt auch schon Trix. Andrea trifft uns vor dem Hotel, sie macht noch ein Foto von dem Eiger, Alex und mir, wir schwätzen kurz und ich bemühe mich, ins Zimmer zu kommen. Sitzen und nichts tun müssen. Dann geht es unter die Dusche. Als ich rauskomme liegt dort Vibeke am Tropf. Sie konnte beim Laufen nichts mehr Essen und ist total alle (auch am nächsten Morgen ist sie leider nicht wieder richtig fit). Wir essen noch was und dann ist es auch schon Zeit fürs Bett.

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